„Der Verstand liebt die Abwechslung; das Herz die Wiederholung.“
wiederholte immer wieder Esther von Kirchbach. Und man kann es tatsächlich nicht oft genug sagen, vor allem in der Mode. Wer in dieser Branche tätig ist, kann die Uhr danach stellen, bzw. es sich im Kalender eintragen. Trends kommen und gehen. Dann kommen sie wieder. Und dann gehen sie wieder. Dies gilt auch für das beliebteste Fashionaccessoire – die Brille. Einige Styles feierten seit ihrem Coming out (also seit ihrem Debüt) mehr Comebacks als Menderes Bağcı bei DSDS. Oder kommt mir das nur so vor?
In diesem Blogpost steppe ich kurzerhand in eine Zeitmaschine und schau mir an, was in den letzten 100 Jahren so gehypet wurde.
Die Zwannis – Prohibition und Emanzipation
Die 1920er waren Zeiten des Umbruchs. Von den Britischen Inseln bis zur anderen Seite des “großen Teichs” war gesellschaftlich viel los. In den USA emanzipierten sich die Frauen zunehmend und schafften es sogar, die Prohibition anzustoßen, um Alkoholismus und damit verbundener häuslicher Gewalt vorzubeugen. Da Alkohol seit den ersten, antiken Brau-Versuchen (in der westlichen Welt) scheinbar nicht mehr wegzudenken ist, entstand ein riesiger Schwarzmarkt, der den Supply aufrecht erhalten sollte. Auf den damit verbundenen Konflikten basieren viele beliebte Filme und Serien wie Boardwalk Empire. Doch auch die 20er in England haben etwas Anziehendes. So staunen viele Netflixer, wenn in der Serie Peaky Blinders Oldtimer durch die Gegend tuckern und Gangster in schicken Dreiteilern rumlaufen. Für den intellektuellen Look der Twenties durfte die runde Metallbrille mit filigranem Gestell natürlich nicht fehlen. Heutzutage erfreut sie sich nicht nur bei vollbärtigen Studis der Universität der Künste Berlin erneuter Beliebtheit. Am besten steht sie aber dem Badass-Protagonisten von Peaky Blinders Thomas Shelby, der von Cillian Murphy gespielt wird
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Die Vierziger und Fünfziger – Frauen auf dem Vormarsch
In diesen Jahrzehnten hatten die Damen modisch definitiv die Zügel in der Hand. Audrey Hepburn, Marilyn Monroe und Grace Kelly sorgten dafür, dass das Cat-Eye-Gestell tierisch hinterfragt wurde. Die geschwungene Form wirkt sehr feminin und betont weibliche Gesichtszüge. Dieser Effekt wurde in den letzten Jahren von den Brillen-Designern wiederentdeckt. Somit lässt sich in den Sortimenten fast aller Marken, die Damenbrillen führen, mindestens ein Rahmen in Katzenaugen-Form finden. Spezialist auf dem Gebiet ist die Marke Vogue Eyewear: “Say hola to Yola!” Wer würde nicht mit ihr eine Retro-chic-Revolution starten?
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Die Sechziger – Ganz großes Kino!
In den 60s war James Bond nicht der einzige Agent mit Stil, der die Kino-Leinwände eroberte. Dem Martini-Schlürfer machte Harry Palmer im britischen Spionage-Film The Ipcress File gehörig Konkurrenz. Seine Vorgesetzten halten ihn für arrogant, anmaßend und renitent. Anstatt Befehlen zu gehorchen, gibt er nicht viel darauf, wie zufrieden seine Bosse mit ihm sind. Passend zu seiner rebellischen Art ist die obligatorische Brille, mit der er jeden Fall löst. Während andere Männer die Sehbrille nur langsam als Fashion-Accessoire entdeckten, trug Palmer optisch dick auf. Mit breitem Vollrand in modischem Havana-Braun setzte er Statements und Kriminelle außer Gefecht.
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Die Siebziger und achtziger Jahre – Noch größeres Kino!
Während sich die Supermächte um Mittelstreckenraketen stritten und mit dem Wettrüsten beschäftigt waren, stritten sich die Supermarken um die besten Designs und vergrößerten ihre Brillenrahmen um die Wette. Somit sind die Wurzeln der heutigen Oversize-Brillen schon über 40 Jahre alt. Allerdings passen die Giganten in die heutige Zeit mit massig Mode in Übergröße besser rein, als je zuvor. Damit ist nicht der BMI gemeint, sondern Kleidung, die bewusst überweit geschnitten ist. Mädchen fühlen sich in den riesigen Hoodies ihrer großen Brüder pudelwohl und können ihre Jeansjacken fast schon als Kleid tragen. Jungs tragen Sneakers wie die Balenciaga Triple S oder ähnliche klobige Dad Shoes und laufen damit teilweise auf höheren Absätzen rum, als ihre Freundinnen. Da darf durchaus auch mal die Brille größer sein.
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Die Neunziger – Schrill und knallig
Wer farbenblind und in den 90ern aufgewachsen ist, hat das Leben verpasst. In dieser poppigen Zeit zählten Farben, Glitter und Glamour mehr denn je. Die Musikvideos, die damals – lange bevor es YouTube gab – auf MTV und Viva gespielt wurden, sind der beste Beweis. Dieser Lifestyle färbte (buchstäblich) auch auf die Brillen und Sonnenbrillen ab. Ihre Formen wurden deutlich schmaler, die Fassungen ovaler und vorher runde Brillengläser somit in die Breite gezogen. Bei den Sonnenbrillen waren getönte Gläser der Hit, vor allem in blau, gelb und rosa gaben sie der Brille einen grellen und futuristischen Look. Auch dieser kommt wieder und lebt zum Beispiel in der aktuellen Kollektion von JB by Jerome Boateng neu auf.
2000 +
Die aktuelle Zeit ist gefühlt turbulenter als die Jahrzehnte davor. Es gibt momentan keine große Krise, sondern viele kleinere Baustellen parallel zueinander. Und das ist gut so! Im Rahmen von MeToo, Gay Pride, Black Lives Matter, Wir sind mehr, Fridays for Future und weiteren gibt es viel Bewegung in der Gesellschaft, die sich auch in der Mode widerspiegelt. Diese ist inzwischen genauso vielfältig wie ihre Konsument*innen – egal ob ethnisch oder vom Mindset her. Deswegen gibt es nicht mehr den Style, der ein Jahrzehnt dominiert. Stattdessen kommen jede Saison ganz neue Kreationen auf den Markt, die unseren Geschmack challengen und zuvor bewährte Designs in Frage stellen. Deswegen freuen wir uns auf das anstehende Jahrzehnt und sind schon gespannt, was die 2020s bringen!